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Automatisierte 6-Seiten

-Bearbeitung komplexer Teile

Andreas Brunhofer

July 1, 2024
4 Min.

Werkstück Automation

Serien und Einzelteile mannlos komplett bearbeiten gelingt bei Falser Maschinenbau mit der Kombination aus 5-Achs-Fräsdrehzentrum mit Rundspeicher- und Roboterautomation, ausgestattet mit der greifenden ‘R-C2‘-Spanntechnik von Gressel besonders effizient.

Falser Maschinenbau aus Auer in Südtirol versteht sich als 360°-Systemlieferant, der hochwertige Bauteile und komplette Maschinenbaugruppen fertigt. Südtirol ist wie Deutschland, Österreich und die Schweiz ein absolutes Hochlohnland. Aufgrund ihrer Historie verfügt die Region obendrein über vergleichsweise wenig Facharbeiter in der Zerspanung. So muss ein Betrieb mit Sitz nahe Bozen schon ein belastbares Geschäftsmodell besitzen, will er etwa gegen den nur 30, 40 km weiter südlich ansässigen Wettbewerb bestehen, der um bis zu 20 Prozent günstiger ist. Effizienz und Fachkräftemangel waren denn auch erste Gründe, weshalb Andreas Falser vor mittlerweile vier Jahren das erste Mal über die automatisierte Fertigung in seinem Betrieb nachdachte.


Eine Antwort auf viele Fragen

Im Leistungsspektrum bei Falser erwies sich die Zerspanung der letzten Jahre als Flaschenhals. „Sie bremste uns und war nicht kalkulierbar, sodass zeitliche Verzögerungen auftraten und die Einhaltung der Qualität sehr aufwendig war.“ Es galt, die Fragen zu beantworten, wie die Qualität erhöht, der Durchlauf verbessert, die Logistik verringert und die Lieferzeiten präzise kalkuliert werden können. Hinzu kam der besagte Fachkräftemangel. „Anders als früher, konnten wir keine Schichten mehr fahren. Denn Fachkräfte, die bereit sind, dreischichtig zu arbeiten, sind kaum mehr zu finden. Umso wichtiger war es, den Arbeitsplatz unserer Mitarbeiter ergonomischer und stressfreier zu gestalten.“

Die Antwort auf all diese Fragen lag auf der Hand: Es sollte automatisiert und mannlos schneller gefertigt werden. Dabei musste die automatisierte Anlage einen Großteil des Portfolios handeln und zusätzliche Bearbeitungsschritte abdecken können. „Außerdem wollten wir auf Puffer zwischen den Bearbeitungen verzichten und die Rüstzeiten verkürzen.“ Wie das realisiert werden konnte, wurde nun intensiv geprüft. Ein Gesamtkonzept war gefragt.

So führte an einem Fräsdrehzentrum schon bald kein Weg vorbei. Doch mit diesem Baustein allein ließen sich die Anforderungen nicht umsetzen. Eine Automation per Palettenwechsel sollte in das Konzept einfließen. Doch wie ließ sich über die Werkstückspannung eine mannlose Fertigung verwirklichen? Zumal das Teilespektrum von kubischen Teilen bis hin zu Platten sehr vielfältig ist und bis zu 100 kg schwere Aluminium- und Stahlteile auf die Anlage kommen sollten. Ab 2018/2019, als erste Gespräche mit Heller, STS und Gressel starteten, wuchs Schritt für Schritt das maßgeschneiderte Konzept.

In die Zukunft investiert

Heute wird in Auer mit einem horizontalen 5-Achs-BAZ ‘HF 5500‘ von Heller gefertigt, das über einen Rundspeicher samt Palettenautomation und Roboterzelle von STS mit Werkstücken versorgt wird. Die 6-Seiten-Bearbeitung der Bauteile wird über die Werkstückspannung mittels R-C2-Automation von Gressel sichergestellt. Die Entscheidung von Falser für diese hochautomatisierte Anlage ist für ein Unternehmen dieser Größe außergewöhnlich. „Ich sehe dies aber nicht als rein kalkulatorische Entscheidung. Ich will in die Zukunft investieren“, begründet der Geschäftsführer. „Natürlich darf das Risiko nicht zu hoch sein, aber ein gewisses Risiko gehe ich schon ein.“ Zumal er auf die Unterstützung, Beratung und den Service der drei Projektpartner bauen konnte.

Bei der Fertigung wird das Rohmaterial aktuell auf zwei Wagen bereitgestellt, die je nach Teilegröße jeweils 20 bis 40 Teile aufnehmen können. Nachdem sich der Roboter, ausgerüstet mit dem R-C2-Spannmodul von Gressel, ein Spannmittel aus dem Greiferbahnhof geholt hat, fährt er zu einem der Wagen, greift mit definierter Spannkraft ein Bauteil und bringt es auf das Nullpunktspannsystem in die Maschine ein . Während jetzt die 5-Achs-Bearbeitung erfolgt, wird in der Übergabestation für das Werkstück ein zweiter Schraubstock für die 6-Seiten-Operation vorbereitet.

Nachdem OP10 abgeschlossen ist, holt der Roboter den Schraubstock aus der Maschine und fährt ihn nach einer Reinigung in die Übergabestation. Hier findet die Übergabe des Bauteils an den zweiten Schraubstock statt, bevor die sechste Seite in OP20 bearbeitet wird. Am Ende fährt der Roboter das Bauteil hinaus und legt es mit dem Schraubstock wieder auf die Ablagewagen. „Wir spannen immer zwei Teile für die 5-Achs-Bearbeitung und zwei für die sechste Seite auf“, konkretisiert Falser. „Am Ende produzieren wir so ausschließlich fertige Teile.“ Die Steuerung des Rundspeichers, das ‘Cell-Management’, agiert dabei als Master für die gesamte Anlage.

Horizontal fünfachsig bearbeiten

„Mit der HF 5500 und ihrer horizontalen Bauweise denken wir heute eine ganz neue Art der Bearbeitung“, stellt Falser heraus. „Dabei haben wir die Bauweise nicht nur wegen des Spänefalls gewählt, wir können auch längere Werkzeuge einsetzen als in einer Vertikalmaschine.“ Darüber hinaus bietet das horizontale Konzept gute Zugänglichkeit bei der Palettenautomation. „Nicht zuletzt können wir aufgrund dieser Zugänglichkeit auch schnell Einzelteile fertigen. Wir sind also in mehrfacher Hinsicht flexibel, unkompliziert und schnell“, betont Falser.

Für kurze Span-zu-Span-Zeiten sorgen hierbei der schnelle Werkzeugwechsler in Verbindung mit einem Kettenmagazin für maximal 160 Werkzeuge und die hohen Achsgeschwindigkeiten der HF 5500 im Ausstattungspaket ‘Pro’. „Die Spindel mit HSK-A 63 bietet bei 16 000 min-1 eine Leistung von 56 kW und ein Drehmoment von 180 Nm“, berichtet Erich Stolz, Gebietsvertriebsleiter von Heller für Österreich und Südtirol. „Verbaut ist in der HF 5500 zudem ein NC-Schwenkrundtisch mit Gegenlager und AB-Kinematik mit hochdynamischen Torqueantrieben. Die fünfte Achse liegt im Werkstück, die Z-Achse verfügt über einen Gantry-Antrieb.“

Schließlich ist das Hauptbediengerät als Pult mit 24“-Multitouch-Bildschirm und ‘Heller Operation Interface’ ausgeführt. „Diese technischen Merkmale der Maschine sind aber nur das eine“, betont Stolz. „Ebenso wichtig ist der Service.“ Dass die Servicestützpunkte sehr nah am Kunden sind, zeigt sich an Verona, das keine zwei Stunden von Auer entfernt ist.

Kundenstory Falser Maschinbau GmbH

Speicherautomation für lange Laufzeiten

Die Rundspeicher- und Roboterautomation von STS, einem Unternehmen der Heller Gruppe, arbeitet mit 17 Speicherplätzen für Paletten, sodass sich lange Laufzeiten realisieren lassen. „Der Speicher schränkt die Leistung der Maschine bezüglich Gewicht und Störkontur in keiner Weise ein“, unterstreicht Marcus Genkinger, Geschäftsführer von STS. „Es kann also das aufgespannt werden, was die Maschine bewältigt.“ Die Bestückung des Rundspeichers erfolgt über zwei integrierte Ladestationen, die ein hauptzeitparalleles Rüsten erlauben.

Damit Falser flexibel agieren kann, handelt es sich um eine manuelle Rüststation und einen automatisierten Rüstplatz, an dem die Roboterzelle mit bis zu 800 kg beladen werden kann. „Bei unserer Speicherautomation handelt es sich nicht um eine spezifische Lösung. Als standardisiertes System mit Variationsmöglichkeiten kann sie für Maschinen unterschiedlicher Hersteller skaliert werden“, ordnet Genkinger ein. „Das gilt für den Rundspeicher, aber mehr noch für die Roboterzelle. Insgesamt sind wir also in der Maschinenanbindung sehr flexibel.“

Sechs Seiten mannlos bearbeiten

Über die Roboterbeladung setzt Falser die R-C2-Automation von Gressel für die Werkstückspannung ein. Das gibt ihm die Möglichkeit, sehr unterschiedliche Teile zu automatisieren. Dazu sind keine gesonderten Programmierkenntnisse erforderlich, er richtet einzig die Dimension eines neuen Teils in der Bediensoftware ein. „Dies dauert in der Regel 15 bis 30 Minuten“, so Falser.

Um den Arbeitsraum der HF 5500 möglichst effizient zu nutzen, wurde eine Spannvorrichtung konzipiert, auf der sich vier Spanner anlegen lassen. Für die erste Aufspannung wird über eine 45°-Stellung gute Zugänglichkeit erreicht, bei der zweiten Aufspannung wird die sechste Seite horizontal bearbeitet. „Grundsätzlich können wir so vier Werkstücke auf einmal beladen“, beschreibt Andreas Brunhofer, Produktspezialist Automation bei Gressel. „Sobald die Stückzahlen steigen, lässt sich auch eine zweite oder dritte Vorrichtung einbringen. So kann zum Beispiel über das Wochenende autark aus dem Speicher heraus zerspant werden. Durch unsere Übergabestation wird dafür automatisch von OP10 auf OP20 übergeben, ohne dass ein Mitarbeiter etwas umspannen muss.“

Die Spannkräfte an dem elektrischen Schraubstock stellt das R-C2-Modul ein. Entscheidend ist außerdem, dass das Prägen der Teile nicht außerhalb der Anlage, sondern vom Roboter beim Greifen erfolgt. „Der Schraubstock verfügt über ein spezielle Spindellagerung, sodass er die nötige Kraft für das Prägen aufbringen kann“, erläutert dazu Brunhofer.

Zugleich ließen sich mit dem R-C2-System auch unförmige Werkstücke automatisieren. Die Formbacken dafür kann der Anwender selbst erstellen. Indem Falser zwei Größen des 125er- Schraubstocks einsetzt, lassen sich bei kubischen Teilen bislang alle gewünschten Dimensionen abdecken. Das spart das Vorhalten zig unterschiedlicher Schraubstöcke.

Wettbewerbsfähig aufgestellt

Die Ergebnisse, die Falser Maschinenbau mit der Fertigungszelle auf die Straße gebracht hat, sprechen für sich. Nicht nur, dass das Rüsten heute viel schneller geht, auch die Durchlaufzeiten wurden verkürzt, sodass der Betrieb schneller liefern kann. „Außerdem erzeugen wir sofort höhere Qualität. Die Toleranzen haben wir zwar auch früher eingehalten, wir mussten aber ab und an nachfertigen. Heute kommen die Teile perfekt aus der Maschine. Auch die Zahl der Probe- und Ausschussteile sank deutlich. Wir haben also einen Qualitätssprung hingelegt. Und während an der Fertigung mancher Teile früher fünf oder sechs Mitarbeiter beteiligt waren, ist es heute einer.“ Mit Blick auf die Zukunft muss man wohl „drei“ sagen, denn mit der neuen Anlage ist auch wieder ein Dreischichtbetrieb geplant.

„In drei bis vier Jahren wollen wir unseren Abnehmern komplette Bausätze ihrer Maschinen anbieten“, erklärt Falser. „Damit positionieren wir uns als Komplettanbieter im Maschinenbau und übernehmen die gesamte Wertschöpfung im eigenen Haus. Mit diesem mutigen Schritt bleiben wir wettbewerbsfähig und können unsere Auftraggeber in Südtirol, der Schweiz und Deutschland auch in Zukunft zuverlässig bedienen.“

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